Wer war Jacob Böhme?

Wissenswertes über unseren Namenspatron

Gott ist im Himmel und der Himmel ist im Menschen. Will aber der Mensch im Himmel sein, so muss der Himmel im Menschen offenbar werden.

Jacob Böhme (1575-1624)

Wer war dieser einfache Mann aus Görlitz, den Hegel als den „ersten deutschen Philosophen“ rühmte und in dessen Schriften Novalis „den gewaltigen Frühling mit seinen quellenden, treibenden, bildenden und mischenden Kräften, die von innen die Welt gebären“ sah? Und warum ist Jacob Böhme in besonderer Weise prädestiniert der Namensgeber einer Schule zu sein?

Südlich von Görlitz, im nahe der böhmischen Grenze gelegenen Alt-Seidenberg, wird Jacob Böhme im Jahre 1575 (der genaue Geburtstag konnte nicht mehr ermittelt werden), als viertes Kind einer begüterten Bauernfamilie geboren. Da Jacob von schwächlicher Konstitution ist, kann er nicht Bauer werden und erlernt deshalb das Schusterhandwerk. 1599 erwirbt er das Bürgerrecht von Görlitz, kauft eine „Schuhbank“ und wird in die Schusterinnung aufgenommen. Im Jahre 1600 hat er ein Schauerlebnis, angeregt durch die Lichtwirkungen an einem schlichten Zinngefäß. Über viele Jahre trägt er dieses Erlebnis verschwiegen mit sich, bis er 1612 seine erste große Schrift veröffentlicht: Aurora – Die Morgenröte im Aufgang. Unmittelbar nach Veröffentlichung der Schrift wird er als Ketzer gebrandmarkt, seine Schrift verbrannt und ihm jegliches weitere geistige Wirken untersagt. Trotzdem arbeitet er heimlich weiter und ein Kreis bürgerlicher und adliger Unterstützer bildet sich um ihn und reicht seine nun entstehenden Schriften unter der Hand weiter. Viele seiner Schriften werden auf diesem Wege gerettet, denn offiziell durften sie nicht mehr erscheinen. Erst nachdem Jacob Böhme 1624 nach Jahren voller Anfeindungen, in denen er seine Heimat auch zeitweise verlassen musste, in Görlitz stirbt, erscheint sein literarischer Nachlass in sorgfältigen Ausgaben in den Niederlanden. Nun weckt sein Werk vielseitiges Interesse, etwa bei Angelus Silesius, der durch Lektüre der Böhmeschen Schriften zu seinem „Cherubinischen Wandersmann“ inspiriert wurde, oder bei Isaac Newton, der sich durch die Böhmesche Schau u.a. zu seiner Gravitationslehre anregen ließ.

Worin nun liegt der Kern der in seiner Zeit soviel Aufsehen erregenden Lehre Jacob Böhmes? Es ist die Stellung, die er dem Menschen in der Weltentwicklung zuspricht. War das ganze Mittelalter hindurch der Mensch ein auf die Erde gestelltes Geschöpf Gottes, als dessen alleinige Aufgabe es galt, sich wieder dem Himmel würdig zu erweisen, so erkennt Böhme dem Menschen selbst eine Verantwortung an der Verwandlung der Welt und seiner selbst zu. Der Mensch ist nicht mehr nur von „Gott an seinen Platz gestellt“ und damit gattungshaft an seinen Stand gebunden, sondern nun steht er als individueller Mensch verantwortlich im ganzen Weltgefüge, im Spannungsfeld von Natur und Geist. Dies geschieht dadurch, dass Böhme den mittelalterlichen Dualismus von „Himmel und Hölle“, „Licht und Finsternis“ in eine Dreiheit erweitert und ein ursprünglich statisches Weltbild in ein prozessuales umwandelt – und somit einen neuen Entwicklungsbegriff in das Denken einführt:

„Das Wesen aller Wesen ist nur einiges Wesen, scheidet sich aber in seiner Gebärdung in zwei Prinzipien, also in Licht und Finsternis, in Freud und Leid, in Böses und Gutes, in Liebe und Zorn, in Feuer und Licht. Und aus diesen zweien ewigen Anfänge, in den dritten Anfang, als in die Kreation zu seinem eigenen Liebesspiel nach beider ewigen Begierde Eigenschaft.“

So überwindet Böhme das einseitige alttestamentarische Postulat das besagt „sich die Erde untertan zu machen“, und eröffnet so ein neues Verhältnis zur Natur, wodurch er in gewisser Weise als ein Vordenker der ökologischen Bewegung angesehen werden kann. Es ist die Dreiheit, die sich später etwa in der Methode des großen Pädagogen J. H. Pestalozzi wiederfindet, der den Menschen seine Stellung zwischen Natur und Gesellschaft im Dreischritt von „Herz, Hand und Kopf“ selbstbestimmt finden lässt. Auch J. W. v. Goethe spricht von „Polarität und Steigerung“, oder Friedrich Schiller, der in seinen „Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen“ aufzeigt, wie der Mensch zwischen Vernunft („Formtrieb“) und Sinnlichkeit („Stofftrieb“) zu freiem Handeln („Spieltrieb“) sich entwickeln kann. Und in Rudolf Steiners Menschenkunde führt diese „dreigliedrige“ Entwicklungslehre letztendlich zur Begründung einer „Erziehungskunst“, die auf der vollen Achtung der Individualität des heranwachsenden Menschen aufbaut:

„Jede Erziehung ist Selbsterziehung, und wir sind eigentlich als Leh­rer und Erzieher nur die Umgebung des sich selbst erziehenden Kindes. Wir müssen die günstigste Umgebung abgeben, damit an uns das Kind sich so erzieht, wie es sich durch sein inneres Schicksal erziehen muss.“(Rudolf Steiner)

Thomas Brunner
November 2012